Ein schlichtes Bühnenbild, wenig Requisite: »Der Flaschenkobold«, neues Stück im Mainaschaffer Puppentheater, stellt das Spiel der einzelnen Puppe in den Mittelpunkt. Am heutigen Samstag ist Premiere.
/ Foto: Stefan Gregor.

So schön kann die Liebe sein

Puppenschiff in Mainaschaff zeigt heute zum ersten Mal sein neues Stück »Der Flaschenkobold«

Mainaschaff. »Du schönste Perle des Ozeans, Kokua, Licht meines Lebens«, säuselt der über beide Ohren verliebte Keawe, und die Gepriesene raspelt nicht minder Süßholz: »Mein Ehemann, mein bestes Stück, mein Liebster, gibst meinen Leben einen Sinn«, schmachtet die rassige Schönheit. Das Mainaschaffer Puppenschiff lässt in seinem heute zum ersten Mal aufgeführten Stück - »Der Flaschenkobold« - die Marionetten auf den Pfaden der Liebe tanzen.

Was in weiten Teilen wie die Adaption eines rührigen Kitschromans vom Grabbeltisch im Kaufhaus anmutet, basiert tatsächlich auf einem 113 Jahre alten Text: Kein geringerer als Robert Louis Stevenson, bekannt geworden mit der »Schatzinsel« und »Dr. Jekyll und Mr. Hyde«, hat den »Flaschenkobold« im Jahr 1892 zum Leben erweckt.

Die Erzählung verknüpft das alte Motiv des Teufelspakt mit exotischen Elementen der Südsee- und Seefahrerliteratur - und erfüllt damit alle Voraussetzungen für die hohen Ansprüche des Puppenschiffs: magische Geschichte, ansprechender Titel, schöne Figuren, und umsonst ist sie auch noch zu haben. »Der Stevenson ist rechtzeitig gestorben«, sagt Regisseur Bernd Weber, will sagen, für den »Flaschenkobold« sind keine teuren Lizenzen für die Aufführung zu zahlen.

Nach der Materialschlacht der kabarettistischen »Zauberflöde« mit unzähligen Marionetten und Requisiten vom vergangenen Jahr, bei der es stark auf präzise Einsätze und Tempo ankam, konzentriert sich das Puppenschiff mit seiner aktuellen Literaturumsetzung für Erwachsene - neben Kabarett und Kinderstücken die dritte Produktionsschiene - wieder mehr auf die einzelne Figur.

 

 

Der Flaschenteufel - eine bunt flackernde Buddel - erfüllt alle Wünsche, aber jeder, der die Flasche besitzt, muss sie rechtzeitig und billiger als zum Einkaufspreis loswerden, damit er bei seinem Tod nicht in die Hölle fährt. Matrose Keawe - ein echter Schönling mit dichtem schwarzem Haar, weißer Hose und einem offenen Hemd, das tiefe Einblicke auf einen gebräunten Waschbrettbauch gewährt - kauft die Flasche, wünscht sich ein schönes Haus in der Südsee und ist froh, als er die Flasche los wird. Doch als er Lepra bekommt, braucht er sie wieder, und nur die Liebe seiner Frau Kokua erlöst ihn schließlich vom Höllenbann.

Die rührende Geschichte der Liebenden, die füreinander bis in die Hölle gehen würden - ein echter Liebesbeweis nicht nur zur damaligen Zeit - lässt den Marionettenspielern - drei sind es diesmal - alle Möglichkeiten eines facettenreichen, ausdrucksstarken Spiels.

Die Stimmungswechsel der ganz großen Gefühle von Liebe zu Zorn, von Freude zu Trauer sind eine besondere Herausforderung für die Spieler, die sie gewohnt gut meistern. Unterstützt werden sie vom diesmal eher schlichten Bühnenbild, ausdrucksstarken Sprechern, schönen Lichteffekten und einer recht kitschigen Musik mit hawaiianischen Elementen, die Regisseur Bernd Weber selbst komponiert hat.

Den Text hat dieser in weiten Teilen von Verfasser Stevenson übernommen, und wüsste man das nicht, man würde es nicht glauben, so aktuell scheinen die feurigen Liebesschwüre und derben Sprüche der Matrosen, echten Wüstlingen. Liebe und liebe Worte, Flüche und Flachsereien sind eben zeitlos. Zu recht hat das Puppenschiff schonVorschusslorbeeren bekommen: Die Premiere heute ist ausverkauft. Susanne von Mach

Presserezension aus dem Main-Echo vom Freitag, 26. November 2005