Ei-ei-einwandfrei
Ich war dabei: beim Brentano-Märchen im »Puppenschiff«

Mainaschaff. Am Ende sind alle Beteiligten Kinder - und wer von sich behaupten kann, noch Kind zu sein, der muß auch Märchen mögen. Zum Schluß sind alle Beteiligten Kinder in Clemens Brentano Märchen »Gockel, Hinkel, Gackeleia«: Das gilt auch für das Publikum im Mainaschaffer Marionettentheater »Puppenschiff«.

Dessen Ensemble hat sich - wieder einmal nach längerer Pause - eines lokalen Stoffes angenommen, Brentanos romantischem Märchen aus dem Spessart. Kein Märchen im eigentlichen Sinne, - denn die sind zeitlos und allüberall, Brentanos Beitrag zur Märchenwelt dagegen läßt sich in Raum und durchaus auch in Zeit einordnen - und wird damit möglicherweise für die Menschen dieser Region umso märchenhafter: Vor langer Zeit war einmal ...

... etwas in diesem Landstrich möglich, was heute nur noch Marionetten auf die Bühne zu zaubern vermögen: das Sein als Tanz, die Sprache eine Melodie.

Natürlich: Im »Puppenschiff« wird wie zu erwarten - eine eigenwillige Darstellung von Brentanos Erzählung geboten, das Spiel mit Sprache ist hier zur Selbstverständlichkeit geworden. Leider, leider liegt darin auch eine Gefahr, sich in Kalauern zu verlieren: Und so fällt gerade bei diesem Erzählstoff auf, daß das Lachen ob des vordergründigen Effekts an wenigen Stellen, aber doch an ebendiesen einigen, das verstehende Lächeln in innerer Ruhe überdröhnte.

Möglicherweise macht das sogar Sinn: Denn das »Puppenschiff« will zuvorderst unterhalten. Und der Drang des Menschen nach Unterhaltung - also nach Spiel - ist so verwerflich nicht. »Ei-ei-einwandfrei«, spricht in »Gockel, Hinkel, Gackeleia« König Eifraßius: »Ich war dabei« - beim Spaß an der Freud'.

Anhaltender Applaus nach der Premierenvorstellung am vergangenen Wochenende - und das wohl noch vor der handwerklichen Leistung der Puppenspieler für das einfühlsame Darstellen von Leben mit hölzernen Figuren. In dieser Hinsicht, zeigt die Inszenierung, braucht sich das »Puppenschiff«-Ensemble vor niemandem verstecken.

»Unsere Puppen, befreit von der Erdenwirklichkeit und von Natur aus die Magie von Kinderträumen in sich tragend, haben schon längere Zeit auf Brentanos Gockel, Hinkel, Gackeleia gewartet«, heißt es im Beiblatt zur Aufführung. Das Schöne am Mainaschaffer Marionettentheater ist die Allgemeingültigkeit dieses Satzes nicht nur für Brentanos Stücke.

An diesem Wochenende läßt sich wieder dabeisein.

Stefan Reis
 

Main-Echo vom 19. November 1992