Die Puppenspieler von Mainaschaff

Das Puppenschiff in Mainaschaff, hinter diesem Namen verbirgt sich ein Marionettentheater, das getragen wird von einer Gruppe engagierter Künstler. Wenn man einen Kapitän auf diesem Schiff ausmachen wollte, käme Bernd Weber in Frage. Nicht nur aufgrund der Statur bietet sich dieser Vergleich an, sondern er ist Gründungsmitglied und damit auch einer der geistigen Väter des Puppenschiff-Theaters. Zwei weitere Mitglieder des heutigen Teams sind ebenfalls seit zehn bzw. elf Jahren dabei, aber sie alle betonen immer wieder, daß ihr Theater von vielen Idealisten getragen wird. Sie alle aufzuzählen, wäre müßig, und einige beispielhaft herauszugreifen, ungerecht. Wichtig ist ihnen das Ziel, ein breites Kulturangebot zu präsentieren, ohne dabei Wert auf Persönlichkeitskult zu legen. Sie verstehen sich als Team, was in diesem Fall auch bedeutet, daß der Beitrag eines jeden einzelnen freiwillig geleistet wird. Denn zum Geldverdienen gehen sie alle einem Beruf nach, einige von ihnen verbringen ihre gesamte Freizeit im Puppenschiff. Wen das Theaterfieber einmal gepackt hat, der kann darüber andere Interessen leicht vergessen. Daraus erklärt sich auch, daß sich beim Puppenspieler-Team regelmäßig interessierte Nachwuchskräfte melden. Nicht jeder kann über lange Zeit hinweg den erforderlichen Zeitaufwand bringen und somit haben Neulinge jederzeit die Chance, in das bestehende Team hineinzuwachsen.

Arbeit gibt es beim Puppenschiff prinzipiell immer, denn was der Zuschauer während einer Aufführung nur erahnen kann, ist die Tatsache, daß hier ein Theaterbetrieb mit den klassischen Abteilungen geführt wird, wie Beleuchtung, Bühnenbild, Tontechnik, Kostüme (und Puppen), aber auch Verkauf und Verwaltung müssen organisiert werden. Mit äußerster Perfektion und einem hohen Anspruch an die Ausdruckskraft werden die Marionetten gefertigt. Bernd Weber modelliert gewöhnlich die Köpfe und Gliedmaßen, Kleidung und sonstige Details werden meist im Team erarbeitet. Für die Ästhetik der Gesamterscheinung haben sie ein besonderes Faible. So ist es keineswegs ungewöhnlich, daß ein bestimmter Faltenwurf oder die Frisur einer Spielfigur stundenlang ausprobiert wird.

Sie ruhen nicht eher, bis die Puppe wirklich perfekt ist, dabei legen sie eine Akribie an den Tag, die beinahe zur Manie wird.

Es werden also viele Hände gebraucht, die zupacken, um das ehemalige Gasthaus »Zur Krone« in Mainaschaff mit Theaterleben zu erfüllen. Dies galt insbesondere auch für die zweijährige Renovierungszeit. Als nämlich die Puppenspieler der ehemaligen Wanderbühne es irgendwann einmal leid waren, für den Auf- und Abbau mehr Zeit investieren zu müssen als für das eigentliche Spiel, suchten sie ein festes Haus. Nicht länger wollten sie hinnehmen, bei der Gestaltung der Kulissen in ihren Ideen eingeschränkt zu sein, denn alles mußte irgendwie zusamenklappbar und transportabel sein. Als dann die Entscheidung zugunsten des ehemaligen Gasthauses fiel, waren zur Renovierung des Gebäudes nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch Organisationstalent gefragt. In dieser Phase war die Unterstützung durch eine Vielzahl von Freunden des Puppenspiels von entscheidender Bedeutung. Schließlich waren die finanziellen Mittel bei der Herrichtung des Zuschauerraumes und der Toiletten begrenzt, andererseits erhebt die Gruppe um Bernd Weber einen gewissen Qualitätsanspruch, der auch die Räumlichkeiten mit einschließt. Sie konnten ihren schier unerschöpflichen Einfallsreichtum unter Beweis stellen, im Detail liegt ihre Stärke. So hat der Garderobenständer Füße, Kristallüster konnten in einer ehemaligen Strumpfboutique aufgetrieben werden. Sogar die Toiletten wurden phantasiereich umgestaltet, in ein Prinzessinnenklo und ein Ägyptisches Klo. Letzteres sei auch der Damenwelt zur Besichtigung empfohlen, möglichst nach vorherigem Anklopfen.

Ein Theater also, das aus dem Rahmen fällt und den Zuschauer in eine Traumwelt entfahren will, in das Reich der Puppenspieler.


Primavera-Journal