Jeeeeehaaaaaaaaaaaa!
Western-Premiere im »Puppenschiff«: Ein großer Auftakt


Mainaschaff. So viele Möglichkeiten, ein Ereignis zu würdigen: Azureia, Gelbelb und Lilaleila tun es mit dem Projektionsgerät und den Filmschnipseln aus dem Western-Archiv. Anderen bleibt nur die Möglichkeit für karge Worte:

Daß das neue Stück der Mainaschaffer Marionettencrew ausgerechnet »Im Western nichts Neues« heißt, ist natürlich blanke Ironie. Oder haben Sie schon einmal Indianer bei einer Prunksitzung erlebt? Oder den Bösewicht über den Helden triumphieren sehen? Oder drei Klepper den hehren Begriff von der »Pferdeoper« allzu wörtlich genommen erlebt?

Natürlich nicht. Denn weder John Ford noch Michael Cimino noch Kevin Costner hätten sich je getraut, als Western-Regisseure das Liebste in jeder Abenteurer-Seele derart auf die Schippe zu nehmen. Und wenn derartiges im »Puppenschiff« tatsächlich zu erleben ist: Nein, da wollen und können wir bei all unserer verborgenen Liebe zum Western diesen phantastischen Marionettenspielern nicht gram sein. Denn wer so detailliert und liebevoll die Geschichte des Wilden Westens einbettet in ein aus dem Takt gelaufenes Weltenrad, der muß wirklich ein Herz für Cowboys und Indianer haben.

Nun aber die zweimal 45 Minuten Entdeckungsreise der drei 0-SternBewohner Azureia, Gelbelb und Lilaleila in den W-Stern verraten? Ach woher. Da wäre in der Tat all die Spannung genommen, von der ein richtiger Western lebt.

Klar, wir wissen doch alle, daß der Held aus dem Nichts auftaucht, seinen Auftrag erfüllt, um erlöst in die Unendlichkeit einreiten zu können. Eigentlich ist es auch im »Puppenschiff« nicht anders. So sind eben Western. Aber haben Sie nicht auch mitgezittert bei Gary Coopers einsamen Gang in die »High Noon« (und doch gewußt, daß er nicht sterben kann, weil nicht sein kann, was nicht sein darf)? Haben Sie jemals an den edlen Motiven im Brustkasten von Kirk Douglas gezweifelt, auch wenn Kirk noch so babbsäckisch grinste (weil ein wahrer Mann eben tun muß, was ein Mann tun muß)?

Natürlich nicht. Und dennoch haben Sie mitgeschmachtet und mitgeschwitzt, wenn die blauen Bohnen pfiffen, wenn Winnetou im langen Abschied von Shatterhand aushauchte. Und aus ebendiesem Grund wird kein Wort verraten über den Auftrieb im weiten Land der kleinen Marionettenbühne.

Natürlich werden einige nun sagen, daß doch auf den pädagogischen Aspekt der Geschichte hingewiesen werden muß: auf die unsägliche Peng-Peng-Mentalität des gelangweilten Menschen. Andere wollen sicherlich den subtilen psychologischen Hintergrund erörtert wissen: jene feinen Anspielungen, die das Stück zu einer Geschichte des Erwachsenwerdens machen. Aber vergessen Sie das. Nehmen Sie einfach Platz auf den sattelsteifen Stühlen, vergessen Sie, genießen Sie.

Und warum?

Kennen Sie die Jeehaaa-Szene? All die Freude und all der Spaß an Western liegt in dieser kleinen und doch so berühmten Szene aus dem John-Wayne-Epos »Red River«: Die Cowboys sammeln sich und die Rinderherde zum großen Treck, und der Aufbruch wird eingeläutet von den begeisterten Jippie- und Jeehaa-Rufen der Treiber. Ein großer Augenblick auf großer Leinwand.

Jetzt wissen Sie, wie und weshalb die »Puppenschiff«-Spieler nach dem Schlußvorhang der Premieren-Vorstellung von »im Western nichts Neues« gefeiert wurden.

Stefan Reis