Mondsüchtig

Im Puppenschiff: »Der Mond der Prinzessin Leonore«

MAINASCHAFF. Auf dem Heimweg vom Puppenschiff Mainaschaff sind sich die beiden kleinen (Marionetten-) Theatergängerinnen uneins: Ist Prinzessin Leonore nun ganz besonders doof? Oder einfach ganz besonders schlau?

Dass sie nicht sonderlich hell im Kopf ist, dafür spricht ihre Naivität: Leonore glaubt, man könne ihr den Mond vom Himmel holen! Andererseits: Vielleicht ist diese Naivität ja nur gespielt. Sie schwört jedenfalls Stein und Bein, sie würde augenblicklich wieder gesund, sobald sie einen Mond bekäme. Deshalb sucht der Hofstaat hektisch nach einer Lösung. Bei so viel Aufmerksamkeit wird jedes Kind schneller gesund...

Was auch immer Prinzessin Leonore zu ihrer absonderlichen Mondsucht antreibt - sie sorgt für eine lustige, poetische und hintersinnige Geschichte.

Über die werden die beiden Theaterspezialistinnen im Vorschulalter noch lange philosophieren: Die Prinzessin – dumm oder durchtrieben? Der Mond – aus Silber oder aus Gummi? Gibt es blaue Hunde, die singen können? Einen besseren Beweis für die Güte des neuen Stücks des Puppenschiffs gibt es nicht. Schade, dass die Aufführung am Sonntag nur wenige Kinder sahen. Schade auch: Die Produktion wird vorerst nur außerhalb des Theaters in der »Krone« zu sehen sein – etwa auf Open-Air-Veranstaltungen.

Die Mainaschaffer lassen ihre Protagonisten im »Mond der Prinzessin Leonore« ein wenig aus der Reihe tanzen: Kein Schneewittchen und kein Aschenputtel betreten hier die Bühne, sondern mal eine unbekanntere Figur. Der Stoff stammt vom amerikanischen Schriftsteller und Zeichner James Thurber, der mit seinen Fabeln berühmt geworden ist. Sein Märchen »Many Moons» (Viele Monde) von 1943 ist ein Kinderbuchklassiker, der es verdient, wiederentdeckt zu werden.

Denn hier geht es nicht darum, dass der Prinzessin Leonore – sie hat sich an ihrem zehnten Geburtstag überfressen und leidet nun an »Himbeertorteritis« – ein Wunsch erfüllt wird. Hier geht es darum, die zuschauenden Kinder zum Nachdenken anzuregen. Ein pädagogisch wertvolles, ergo langweiliges Stück also?

Keineswegs. Die Mainaschaffer Puppenspieler gehen es gewohnt professionell an: Texte mit Liebe zum Detail, witzige Reime, fetzige Lieder, aufwändig gestaltete Marionetten. Die Inszenierung besticht durch eine klare Sprache und eine leicht verständliche Geschichte. Schön, dass es noch Puppentheater gibt, die sich auf die Effekte einer solche Vorbereitung verlassen können und diese Arbeit nicht durch vordergründige Kasperle-Komik ersetzen müssen.

Da ist zum Beispiel der Lieblingshund der Prinzessin. Der heißt nicht nur Azzurro, sein Fell ist es auch: blau nämlich. Der Vierbeiner führt mit seinen Liedern durchs Programm. Und dann sind da all die Hofschranzen wie der Hofmarschall, der Königliche Zauberer und der Mathematiker ihrer Majestät. Diese obergescheiten Gelehrten können dem verzweifelten König nicht helfen: Den Mond der Prinzessin schenken, um sie gesund zu machen? Nein, das geht nicht. Zu groß, zu weit weg und überhaupt!

Nur der Hofnarr Jamino - der gleichzeitig eine Art Musiktherapeut des gestressten Königs ist - hat die rettende Idee: Man sollte die Prinzessin selbst fragen, wie sie sich einen Mond vorstellt. Über die Antwort können sogar die allerkleinsten Zuschauer schon kichern: Der Mond ist laut Leonore eine Kugel, kleiner als ein Fingernagel und aus Gold.

Deshalb lässt Jamino ein Halsband mit Goldkugel herstellen. Aber was, wenn die Prinzessin zum Himmel schaut und den echten Mond erblickt? Abermals wissen die Gelehrten keine Lösung. Wohl aber der Hofnarr: Er befragt wieder Leonore selbst. Sie glaubt: Monde wachsen nach, gerade so wie Blümchen. So einfach ist das. Patientin gesund, König froh (»Meine Räte sind Narren, aber die Narren wissen Rat«).

Und die jungen Zuschauer: Zuerst gebannt, dann belustigt, am Ende nachdenklich - und mondsüchtig.

Jens Raab

Presserezension aus dem Main-Echo vom Dienstag, 08. März 2005