Shakespeare hätte seine Freude: Denn hölzern sind die Schauspieler zur "Sommernachtstraum"-Aufführung im Mainaschaffer "Puppenschiff" wahrlich nicht. / Foto: Peter Rogowski

 

Ein Traum von einem Traum
Premiere von "Ein Sommernachtstraum" im Mainaschaffer "Puppenschiff"

Mainaschaff. Inmitten des Publikums wirkt der Blick auf die schmale und lang gezogene Bühne des Mainaschaffer "Puppenschiffs" wie die Szenerie, die Filme über das Kino vergangener Tage vermitteln: Teilweise verdeckt, von den eingestanzten Silhouetten von Zuschauerköpfen werden die ganz großen Gefühle erahnbar, erhält die Seele vor der Dunkelheit des Saals Licht und bekommen Träume Gestalt.

Einen solchen Traum hat um 1595 in London der damals 31 Jahre alte William Shakespeare niedergeschrieben und zum Bühnenstück gemacht, nun erhebt "Puppenschiff"-Vater Bernd Weber den englischen Dramatiker in den Stand des Mitautors eines der Mainaschaffer Marionetten-Werke: Und sehr deutlich zeigte sich am Samstag bei der mit überbordendem Beifall bedachten Premiere von "Ein Mittsommernachtstraum" die Handschrift des vor knapp 386 Jahren gestorbenen Koproduzenten.

Gleichwohl das Stück zu den so genannten "heiteren Komödien" im Schaffen des Dichters zählt und sich die Fassung des "Puppenschiffs" sehr nahe

an das Original hält, ist das Stück im Vergleich mit anderen Mainaschaffer Produktionen ernsthafter geraten und damit anrührender denn aufmunternd.

"Puppenschiff"-Kompositionen und -Interpretationen leben sehr häufig von einer rasant wirkenden Mischung aus feinem und unablässigem Wortwitz hie und dem pointierten Spiel der Schauspieler da: Dass das neue Programm auf dem Spielplan sich hier wesentlich unterscheidet, mag an der Besinnung auf das Klassische im Werk und in der Inszenierung liegen. Shakespeares Komödie becirct auch ohne Anpassungen an die Moderne durch die einzigartige Verbindung von Zauber und Witz, Ironie und romantischem Gefühl.

Und als sei's eine Verbeugung vor dem Meister, nehmen sich auch die Regisseure, die im Hintergrund die Fäden ziehen, zurück, ohne ihre Darsteller hölzern wirken zu lassen: Wo bisweilen die pralle Lust am Spiel Akzente setzt und sich ohne Niveauverlust ab und an verpurzeln darf und soll, geraten in Oberons Märchenwald Bewegungsabläufe in traumhafter Akzentuierung. Eine Marionette lässt sich auf vielerlei Art durch die Luft bewegen:

 

 

Wenn Puck im "Mittsommernachtstraum" zu seinen Flügen "in vier mal zehn Minuten um die Welt" abhebt, gerät das nicht zum Slapstick, sondern zu einem ästhetischen Genuss.

William Shakespeare hätte sicherlich seine Freude an der Mainaschaffer Inszenierung, die die fantastische Welt der Elfen eben so menschlich werden lässt wie die Lächerlichkeit von Zettels Traum anmutig. Nicht eine der - selbst das Mitzählen der Figuren macht bei einer "Puppenschiff"-Aufführung ein Ereignis! - 26 Marionetten mit dem ihnen inne wohnenden Leben wird zum bloßen Gaudium des Publikums vorgeführt, alle haben ihren Wert in diesem traumhaft schönen Stück: auch ein ganz wichtiger Verdienst der (vielen jungen) Sprecher und Sänger, die für zwei Stunden Gefühlen, Seele und Träumen Stimmen geben.

Stefan Reis

Presserezension aus dem Main-Echo vom Samstag, 14. Januar 2002